Ich habe mich für den Hof D. entschieden. Warum? Einerseits ist der Hof sehr vielseitig und bietet einem Auszubildenten alles das man sich wünschen könnte und er ist auch nahe genug, dass ich für ein längeres Wochenende meine Eltern besuchen könnt. Am Anfang war auch alles gut: Ich bin jeden Tag auf einem oder mehreren Pferden gesessen, habe ich mit um Fohlen kümmern können und natürlich durfte ich auch ausmisten das ist ja ganz normal und gehört immer dazu.
Unterricht habe ich regelmäßig bekommen von meiner Ausbildnerin, der anderen Pferdewirtin oder der Chefin. Meistens bin ich ein Pony namens Prinz geritten. Er ist sehr sensibel und wurde mit jungen Jahren schon sehr gefördert und wahrscheinlich überfordert. Daraus hat sich ein krampfhaftes Mundöffnen und gegen die Reiterhand ankämpfen entwickelt. Außerdem war er wenn man ihn nicht die ganze Zeit mit neuen Lektionen abgelenkt hat ist er teilweise aus unerklärlichen Gründen von dem ersten Hufschlag in die Mitte gesprungen. Im Gelände und am Platz war er viel entspannter und fast ein sehr gutes Verlasspferd. Ich bin von ihm in einem halben Jahr öfters heruntergefallen als in meinem gesamten Reiterleben. Aus welchem Grund auch immer fand ich ihn aber interessant und bis auf die paar Aussetzer hat es mir viel Spaß gemacht.
Das nächste Pferd, das ich öfter reiten durfte war eine kleine Warmblutstute. Sie war mir ein sehr gutes Lehrpferd und mit ihr hatte ich jedes Mal sehr viel Spaß. Ich habe mit ihr das erste Mal Außengalopp, einfache und fliegende Wechsel gemacht. Waren die Wechsel ausbaufähig? Auf alle Fälle aber es war spannend und ich habe von ihr viel lernen können.
Nach einiger Zeit habe ich leider miterleben müssen wie ein Mitarbeiter nach dem anderen hinausgeschmissen wurden. Ich habe ein bisschen nachgedacht und mir fallen nicht einmal alle Namen ein, die in dem halben Jahr in dem ich auf dem Hof war, gegangen sind oder gegangen wurden. Dabei waren zwei PferdewirtInnen und ein paar Pfleger. Die Geschichte mit dem Pfleger ist eigentlich ganz interessant und man sieht wie die Einstellung zu Arbeitern an diesem Hof war.
Angefangen hat es recht gut und er war nett, schnell genug und hat angepackt. Ja, die Boxen waren teilweise nicht auf Standart gemistet, wie es in diesem Stall erforderlich war. Hätte sich dieses “Problem” nach der Einarbeitung wahrscheinlich von selbst erledigt? Japp, ziemlich sicher. Naja, es wurde natürlich nicht mit ihm normal geredet sondern ihm gesagt, wenn er es nicht in den nächsten Tagen einwandfrei, dann kann er gehen. Seine Arbeitsmoral ist seit diesem Gespräch immer schlechter geworden: die Rauchpausen haben sich gehäuft, gemistet wurde immer länger und für Freundlichkeit war auch keine Zeit. Dazu kommt, dass wir höchstens eine halbe Stunde Mittagspause machen durften. Angefangen hat unser Arbeitstag um 7 Uhr und ging bis mindestens 19 Uhr, öfters auch länger je nachdem was noch zu tun war.
Nach dem er ein paar Wochen auf dem Hof gearbeitet hat war eine Fohlenschau ungefähr 1 1/5 Stunden vom Hof entfernt. Wir haben in der Früh drei Stuten und Fohlen eingeladen und sind losgefahren. Der Hof war nun in der Hand des Pferdepflegers und er sollte den ganzen Tag einfach nur ausmisten während wir weg waren. Da fünf Stuten mit Fohlen präsentiert werden mussten sind wir mit zwei Anhängern zurückgefahren und haben die letzten zwei Stuten geholt. Am Hof angekommen haben wir bemerkt das kein Pfleger mehr am Hof war. Er hat sich aus dem Staub gemacht und ist weggefahren. (Er hat schneller verstanden, dass manche Arbeitsverhältnisse zu ausnützend sind um sich dort aufzuhalten.)
Ich habe für diese Entscheidung noch einige Monate gebraucht, aber ich sollte mich selbst nicht beim erzählen überholen. Wir haben immer wieder für kurze Zeit Pfleger gehabt und dann wieder nicht. Wenn kein Pfleger da war hat die Stallarbeit fast meinen gesamten Tag eingenommen. Zum Reiten oder longieren bin ich immer seltener gekommen und so bin ich langsam von einem Lehrling zu einem schlecht bezahlten Pferdepfleger mutiert. Die Tage wurden länger, der Druck immer stärker und der Unterricht fiel fast gänzlich aus.
In meiner Freizeit konnte ich nicht mehr tun als zu schlafen. Im Frühjahr 2017 hatte ich meine Fotografierfirma gegründet und konnte während der Lehre genau ein Modelshooting machen, weil mir sonst immer einen Tag bevor ich meine Freizeit hatte, bescheid gesagt wurde. Mit so einem Zeitplan kann leider nur wenig geplant werden, geschweige denn irgend jemand fragen, ob Interesse an einem Fotoshooting besteht, wenn man keine möglichen Termine anbieten kann.
Im September wurde mir gesagt das meine Ausbilderin einen Job in einem anderen Betrieb annehmen wird, sie allerdings mich umbedingt weiter als Lehrling behalten wollen und sie möglichst schnell einen neuen Meister suchen wollen. Zur gleichen Zeit musst ich mich in der Berufsschule anmelden und hatte meine ersten zwei Berufsschulwochen und wow hat das Spaß gemacht. Endlich wieder Sozialkontakt und Leute in meinem Alter mit denen ich mich super verstanden habe.
Um es kurz zu machen: ich hatte eine Knieverletzung in den letzten Wochen meiner Lehre. Bis zum Ende wurde mir versichert das ich wunderbare Arbeit leiste und sie mich als Arbeiterin weiter anstellen wollen, damit ich nach mindestens 4,5 Jahren zu einer Sonderprüfung zugelassen werden könnte und das alles nur weil sie keinen neuen Meister gefunden haben oder finden wollten. Ich habe mir nur gedacht: SICHER NICHT MIT MIR! Ich mach doch nicht diese unterbezahlte Sklavenarbeit mehr als 4 Jahre wenn ich es auch in 2 machen könnte und dann voll bezahlt werden könnte! Durch meine Verletzung habe ich weniger arbeiten und schon gar nicht junge Pferde reiten können. Das hat meiner Chefin gar nicht gefallen, aber sie hatte keine andere Wahl als mich mit leichterer Arbeit zu beschäftigen.
Naja über kurz oder lang war klar, dass ich da nicht bleiben kann und will, weil der Hof mir nicht das bieten kann was mir wichtig ist und was ich als Ausbildung brauche. Um das Kündigungsgespräch zu überstehen habe ich meinen wunderbaren Vater gebeten mich zu unterstützen, nur damit ich nicht alleine rausgeschmissen werde. (Ich habe ja vorher schon von mehr als 4 Menschen gesehen die einfach so rausgeschmissen und sofort ihre Wohnung räumen mussten.) In diesem Gespräch wurde mir alles vorgeworfen was ich jemals falsch gemacht zu haben scheine. Meine Chefin hat mir sogar so unglaubliche Sachen an den Kopf geworfen, das sich die Pferdewirtin eingeschalten hat und ihr wieder sprochen hat. Das Resultat aus diesem Gespräch war das mein Vater und ich in vier Stunden die Wohnung ausgeräumt haben und auf zu meinen unglaublichen tiroler Verwandten gefahren sind, die mich ohne zu überlegen aufgenommen haben.