Die prägendste Situation meiner Lehre hat mit einer Katastrophe zu tun. Wie könnte es auch anders sein. Um zu den Koppeln zu kommen mussten wir entweder an der Straße entlang (ungefähr einen Kilometer) oder an einer Baustelle entlang (ungefähr 250 Meter). Es ist wohl einfach welchen Weg wir bevorzugten. Den kurzen, schnellen, aber wie sich herausstellen sollte gefährlichen Weg. Alle Pferde mussten diesen Weg entlang: egal ob Stuten mit Fohlen, Privatpferde oder halbwilde Ponys mit Dickschädel.
Die Baugrube wuchs und unser Spalt zum gehen wurde immer kleiner und kleiner. An diesem Tag wurde ich mit einem Pfleger beauftragt die Stuten mit Fohlen am Fohlengurt zu den Feldern zu bringen. Mein Plan war die Stuten einzeln an diesem Spalt vorbeizubringen und einer hält sie oben und einer hält sie unten. Das habe ich versucht dem Pfleger klar zu machen aber er hat mich wohl nicht richtig verstanden. Ich bin los mit der einen Stute um sie unten aus der Hand zu geben und mir dann die Nächste zu holen.
Ich war auf dem halben Weg und habe im Augenwinkel nur gesehen, dass sich der Pfleger oben bewegt. Ich hab versucht mich umzudrehen und ihm zu gestikulieren und zuzurufen das er stehen bleiben soll aber da war es auch schon zu spät und ich habe gesehen wie das Fohlen Queen den Halt am Abhang verloren hat und rücklings in die Baugrube gefallen ist. Ihre Mutter die Fuchsstute Anni wurde durch den Zug am Fohlengurt auch so nah an die kante gezogen das sie rückwärts auf ihre Tochter geflogen ist. So lagen sie nun da, die Tochter unter der Mama, beide mit panischen Ausdrücken im Gesicht.
Von da ging alles sehr schnell. ich habe mit einem Bauarbeiter die Stuten in die Boxen zurückgebracht und bin losgelaufen um meine Chefs zu holen. Meine Chefin schon am Telefon angefangen zu brüllen warum wir überhaupt an diesem schmalen Pfad Pferde vorbeiführen wollten. Währenddessen wurde mit dem Kran, der Gott sei dank wegen des Hausbaues da war, angefangen zu versuchen die Stute anzuheben, damit wir vielleicht das Fohlen unter ihr befreien konnten. Die ganze Zeit über haben wir uns gedacht das der verständigte Tierarzt die Stute und Fohlen in der Baugrube einschläfern müsste, damit wir sie dann tot aus der Grube bekommen könnten.
Zieh und Hochhebversuche der Stuten haben dazu geführt, dass sie nicht mehr gut atmen konnte, aus ihr kam nur noch ein Röcheln, aber wir haben das Fohlen rausziehen und mit dem Kran aus der Baugrube heben können. Auf festem Boden angekommen hat sich das Fohlen nicht bewegen können. Die Beine waren ganz steif und wir dachten sie hat eine Wirbelsäulenverletzung. In der Grube war nun noch Anni und wieherte panisch, weil sie ihr Fohlen nicht mehr sehen konnte und wehrlos auf dem Rücken gelegen hat.
Auch mit Hilfe des Krans konnte schließlich Anni aus der Baugrube an ihren Fesseln gehoben werden. Sie ist auf ihrem Rücken abgesetzt worden und hat einen Moment gebraucht um sich bewegen zu können. Nachdem sie ihr Fohlen wiehern gehört hat ist sie aufgesprungen als wäre nie etwas gewesen und ist zu ihrem Fohlen geeilt. Queen ist währenddessen auch auf die Beine gekommen und hat gleich mal versucht bei der Mama zu trinken.
Die Tierärztin ist gekommen und hat verschiedene Röntgenaufnahmen angefertigt. Mehr als Kratzer, Prellungen und Verstauchungen konnte sie bei der Stute nicht feststellen. Bei dem Fohlen hat sie eine kleine Blutung oder etwas ähnliches im Kopfbereich feststellen können. Das haben wir beobachtet über die nächsten Tage und bemerkt das aus einem etwas damischen Fohlen schnell wieder die kecke Queen wurde. Alles in allem müssen alle Schutzengel zu uns geschaut und uns geholfen haben, weil so viel mehr passieren hätte können.
Nachdem alle Unglückshasen versorgt worden waren, ging das Fingerzeigen auf den Schuldigen los. Ich war aus irgendeinem Grund schnell aus dem Schneider. Die Bauarbeiten meinten das der Pfleger alle Schuld hat, weil er ja meine Anweisungen nicht befolgen konnte. Meine Chefin hat schnell die Bauarbeiter dafür verantwortlich gemacht, weil sie keinen Bauzaun aufgestellt hatten und somit nicht die Grube abgesichert haben, wodurch dieser Unfall erst zustande kommen konnte. Alles in Allem war es eine mehr als ungünstige Situation und eines hat zum anderen geführt. Das ist aber nur meine bescheidene Meinung.